Anfang der siebziger Jahre in Chile. Salvador Allende will sein Volk in eine bessere Zukunft führen, doch die Versorgungslage ist desolat. Die Regierung wagt ein neues Projekt, dass der Gesellschaft einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus bahnen soll. Der britische Ingenieur Stanley Baud soll mit einer Gruppe internationaler Fachleute ein Computersystem aufbauen, das die wichtigsten Wirtschaftszweige steuert und damit die Bedürfnisse und Möglichkeiten zur Grundversorgung aller Chilenen regelt. Das Zauberwort heißt Kybernetik.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des westdeutschen Industriedesigners Hans Everding, der sich begeistert in die Arbeit stürzt, um mit Hilfe der Technik eine bessere Gesellschaft zu erschaffen. Er hat unter anderem bei Adorno studiert und lässt auch deutsche Geschichte mit in dieses Werk einfließen. Tätsächlich kann das Datennetzwerk zunächst erste Erfolge liefern, doch die politische Lage in Chile spitzt sich immer weiter zu und die weitere Arbeit am System wird zu einem Wettlauf Gegen die Zeit.
Sascha Reh hat für sein Buch einen historischen Stoff verwandt, dem er erstmals während seiner Studienzeit begegnete. Tatsächlich existierte in Chile zu dieser Zeit ein fernschreiberbasiertes Datenaustauschprogramm, dass manchmal euphorisch als Vorläufer des Internets oder sogar als Sozialistisches Internet angesehen wird. Entstanden ist ein mitreißender und authentischer Roman, der Lust macht, weiter nach Material zum Cybersyn und zum Opsroom zu suchen … – natürlich im Internet.
Sascha Reh: Gegen die Zeit. Roman. Schöffling & Co 21.95 Euro reservieren
Die Stunde der Kommunistenmaschine – Text von Sascha Reh auf SPON
Wikipedia: Cybersyn
Cybernetic Revolutionaries. Technology and Politics in Allende’s Chile (Rezension)