Shortlisted!

Welches wird der beste deutsche Roman 2023? Die Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober wird es mit der Verleihung des Deutschen Buchpreises zeigen. Auch wenn die Geschmäcker verschieden sind: mittlerweile ist die Shortlist erschienen und davon können wir auf jeden Fall drei weitere Titel empfehlen:

Es geht um Till, der ein altehrwürdiges Gymnasium in Wien besucht und dort erwachsen wird. Er ist erfolgreicher Gamer („Age of Empires 2“) und ein Star in der Szene, aber seine Klassenkameradinnen wissen davon nichts. In der Schule ist Till eher schüchtern und bis er sich mit zwei Mädchen anfreundet, meistens auch allein. Das könnte ein super Jugendroman sein, aber Tonio Schachinger hat einen Bildungsroman für Erwachsene geschrieben. Dem Jugendlichen wird der erwachsene Antagonist gegenübergestellt: Lehrer Dolinar, der mit Erziehungsmethoden aus dem vorigen Jahrhundert und einer erzkonservativen Einstellung das Leben seiner Schülerinnen in eine Welt der Angst verwandelt. „Echtzeitalter“ thematisiert Freundschaft und Erwachsenwerden, Autoritarismus und Gaming, Jugendsprache und Drogen, den Austro-Faschismus und immer wieder Literatur. Ich habe viel über Österreich gelernt und mochte die Geschichte sowie Sprache und Erzählweise sehr. Ein Buch, das beim Lesen unglaublich Spaß macht, klug und ein besonderes Zeugnis der österreichischen Gesellschaft ist. Mein Favorit für den Buchpreis bisher. (gelesen von Ulla)

Öziri erzählt in seinem Debütroman eine Familiengeschichte: Abra spricht aus dem Krankenhaus zu seinem Vater Metin, der die Familie verlassen hat, als Abra ein Baby war, und nie zurückgekehrt ist. Abra liegt im Sterben. An seinem Krankenbett treffen sich seine Mutter Ümran und seine Schwester Aylin und erzählen ihre Geschichten, geprägt von Flucht, Bürokratie, Rassismus, Alkoholismus, verlorenen Träumen und der ewigen Angst vor dem Verlassenwerden.
Necati Öziri spricht eine klare, schöne Sprache, die voller Wärme und Humor ist. Sein Roman ist geprägt von komplexen, vor allem weiblichen Figuren.
„Aber wenn es eine Sache gibt, die ich spätestens an dem Nachmittag in der Garage begriffen habe, dann, dass wir alle auf dieser Welt nur beschissene Gastarbeiter sind, und das Einzige, was du tun kannst, ist, aufstehen und das Leben suchen, solange du noch kannst.“
Für Fans von Fatma Aydemir und Behzad Karim Khani. (gelesen von Ileana)

Muna Appelius macht ihr Abitur in einer ostdeutschen Kleinstadt kurz vorm Mauerfall. Der Vater tot, die Mutter eine Theaterschauspielerin und Alkoholikerin. Muna will Journalistin werden und hospitiert bei der Lokalzeitung. Sie lernt den wesentlich älteren Magnus kennen, der Fotograf ist und Französischlehrer. Von da an ist Munas Leben bestimmt von Magnus. Der lässt sie zwar nach kurzer Affäre schnell wieder sitzen, aber sie vergisst ihn nicht und als sie ihn mit Mitte 20 zufällig in Berlin wieder trifft, beginnen die beiden eine Beziehung, die geprägt ist von totaler Abhängigkeit ihrerseits und Gewalt, Missbrauch und unzähligen Demütigungen seinerseits. Die Geschichte von Magnus und Muna ist auch deshalb eine so grausame, weil es tausende (Millionen?) davon gibt. Ein misogynes Würstchen von Mann, der Macht über eine Frau gewinnt, die nichts anderes vom Leben will (zu wollen scheint) als geliebt (begehrt?) zu werden und diesem Ungeheuer von Mann alles Recht zu machen. (gelesen von Ulla)