Berlin – Ein satirisches Reisegepäck

Vor nicht allzu langer Zeit hat uns der Michael-Müller-Verlag mit der Meldung überrascht, eine neue Reiseführer-Reihe „Satirisches Reisegepäck“ sei in Planung. Im ersten Band ginge es um Berlin, der Autor sei ein gewisser Tilman Birr. Da uns dieser gewisse Autor nicht unbekannt ist, haben wir das Buch mittlerweile natürlich im Laden. Und da der Autor praktisch um die Ecke wohnt, konnten wir uns mit ihm auch über sein Werk unterhalten. Ein Gespräch, das leider im Streit endete …

Herr Birr, wir kennen Sie eigentlich als jemanden, der in der Lesebühnen- und Poetry-Slam-Szene groß wurde. Und nun ein Reiseführer. Wie kommt das?

Es ist natürlich kein klassischer Reiseführer, es gibt darin keine technischen Details und historischen Daten. Ich würde eher sagen, dass es eine Art Reiseführer in Kolumnen- oder Kurzgeschichtenform ist. Ich habe also nicht anders geschrieben als ich es sonst tue.

Was ist denn an ihrem Werk anders als bei klasssischen Reiseführern?

Es geht mehr um Mentalitäten, Menschen und Betrachtungsweisen von Orten als um die Orte selbst. Ich habe die klassischen Orte, an denen die Sightseeingbusse vorbeifahren, bewusst ausgelassen, weil mir das nicht interessant schien. Was soll man über den Reichstag oder das Brandenburger Tor schreiben außer „dann und dann gebaut, im Krieg schwer beschädigt, nach der Wende saniert“? Da passiert ja sonst nichts, außer dass Menschen dort herumstehen, draufgucken und sich gegenseitig fotografieren.

Ein Reiseführer ohne Museumsinsel, Gendarmenmarkt und Oranienburger Straße?

Ja, genau. Darüber steht ja schon genug in anderen Reiseführern. Das was mir aber am interessantesten scheint – Mentalitäten und Milieus, versteckte Orte oder Untypisches – das findet man in Reiseführern meistens nur in Nebensätzen. Ich habe dafür Kapitel über den Späti, über Berliner Fastfood oder über die Gentrificationdebatte geschrieben.

Was gibt es denn für besondere Mentalitäten in Berlin?

Zum Beispiel den Stadtteilnationalismus. Jeder glaubt, er wohnt im schönsten und besten Viertel der Stadt und ist deshalb allen anderen überlegen. Und ich bin mir sicher, die meisten, die diesen Satz jetzt lesen, denken nun: „Bei mir isses aber wirklich so! Mein Viertel ist ja wirklich das schönste.“

Wer soll Ihr Buch denn dann lesen?

Eigentlich ist es für Leute gedacht, die sich in Berlin schon wenigstens ein bisschen auskennen, und mit den Orten, Leuten und Milieus, die ich beschreibe, etwas anfangen können. Außerdem für Berlinpatrioten und Heimatverteidiger, denn die regen sich immer so schön auf, wenn jemand, der nicht in Berlin geboren ist, über Berlin schreibt.

Wie? Sie sind gar kein Berliner? Verlassen Sie unseren Laden!

Ich denke doch nicht daran. Ich kaufe den Laden und klage Sie raus!

 

Tilman Birr
Satirisches Reisegepäck
Michael-Müller-Verlag 12.90 Euro
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