Lieblingsbücher

In die USA entführen drei unserer neuen Lieblingsbücher, jedoch könnten sie unterschiedlicher nicht sein:

Richard Russo: Jenseits der Erwartungen. Dumont Buchverlag

Dieses Buch würde man auch gern an einem Strand lesen, meint Suse: „Jenseits der Erwartungen“ von Richard Russo spielt auf Martha´s Vineyard, einer Insel vor Massachusetts, wo drei alte Freunde nach vier Jahrzehnten ein gemeinsames Wochenende verbringen. Teddy, Lincoln und Marlon verloren dort nach dem Studienabschluss die Frau, in die sie alle verliebt waren. Während gemeinsamer Ausflüge kommen sie sich langsam wieder näher. Das Rätsel um ihre Jugendliebe und die Regflektionen zu den gelebten Leben sind spannend und leichtfüßig erzählt. Über 400 Seiten tolle Urlaubslektüre!

Tea Obreht: Herzland. Rowohlt Berlin

Nach dem großartigen Debüt ‚Die Tigerfrau‘ war Zoe sehr gespannt auf Tea Obreht’s neuen Roman, und etwas überrascht von dem dramatischen Ort- und Zeitwechsel. ‚Herzland‘  nimmt uns mit in das Amerika des 19. Jahrhunderts, ein Western also. Ein Genre mit dem ich persönlich bisher wenig anzufangen wusste, und doch war ich von der ersten Seite an von ‚Herzland‘ gefesselt.

Durch zwei Erzählstränge mit unkonventionellen Perspektiven bricht Obreht mit den gewöhnlichen stereotypen des ‚Wilden Westen‘. Lurie ist das Waisenkind eines Einwanderers aus dem Osmanischen Reich – seine Abenteuer als Outlaw und Kamelreiter im United States Camel Corps (gab’s wirklich!) sind nicht nur spannend sondern ermöglichen auch einen differenzierten Einblick in das Leben von Einwanderern, Muslimen, und anderen Gruppen am Rand der amerikanischen Gesellschaft. Sein Narrativ umspannt viele Jahre und tausende von Kilometern, gleichzeitig beschreibt der zweite Handlungsstrang, aus der Perspektive von Nora, einen einzigen langen, durstigen Tag in einem sterbenden Dorf in Arizona. Wir begleiten die scharfzüngige Pionierin auf ihrer Suche nach Trinkwasser und nach ihrem verschollenen Mann, erfahren dabei zunehmend mehr von der korrupten Lokalpolitik und Noras eigener tragischer Vorgeschichte.

Lurie und Nora verbindet nicht nur ihr Außenseitertum, sondern auch der Kontakt zu der Nachwelt. Sie werden begleitet von den Geistern ihrer verstorbenen Freunde oder Angehörigen, die ihnen zureden und Entscheidungen mitbestimmen. Ein willkommenes Element von magischem Realismus, welches die Handlung auflockert, und gleichzeitig die Brutalität der Gesellschaft, in welcher sie sich bewegen, hervorhebt.

Mit historischer Genauigkeit und viel Ambivalenz konfrontiert ‚Herzland‘ den Mythos des amerikanischen Traums – eine fesselnde und erfrischend vielschichtige Neuerzählung des ‚Wilden Westens‘.

Ta Nehesi-Coates: Der Wassertänzer. Blessing

„Zwischen mir und der Welt“ schlagartig zu einer der wichtigsten Stimmen der USA, wenn es um Rassismus geht. Bereits zu dieser Zeit war sein Roman „The Water Dancer“ praktisch fertig. Erst vor Kurzem ist er auf Deutsch erschienen. Sven hat ihn gelesen:

„The Water Dancer“ von Ta-Nehisi Coates ist eine wuchtige Nummer, die, wo es nur geht, ununterbrochen und im besten Sinne rücksichtslos auf die Kacke haut: An erster Stelle ist da natürlich das finstere Setting – USA, Sklaverei –, das aber angenehm früh abdriftet, weg vom Neuerzählen des vielen, vielen Leids dieser Zeit, hin zu einer Volldampf-Superheldengeschichte, die völlig zu Recht gar keinen Bock auf Subtilität hat. Protagonist Hiram Walker, von Geburt an Sklave, entdeckt im Laufe seines Lebens, dass er übernatürliche Fähigkeiten hat. Und diese übernatürlichen Fähigkeiten könnten nicht nur ihn von der Sklaverei befreien, sondern auch alle anderen, die dasselbe Schicksal zu ertragen haben – und genau das will Hiram angehen, gestützt von einem geheimen, hochgradig professionell durchorganisierten Untergrundnetzwerk.

An den besten Stellen erinnert The Water Dancer an Salman Rushdies Klassiker Midnight‘s Children: Die ewig Unterdrückten, Unterworfenen, Abhängiggemachten geraten in ihrer Unterdrücktheit an eine beispiellose Macht und wollen diese nutzen, um den Lauf der Geschichte endlich zu ihren Gunsten umzulenken. Bei The Water Dancer wird dieses Motiv ziemlich stringent ausgebreitet. Krachend und geradeaus. Selbst wenn der Superkraft-Teil mal Pause hat, rattert und knallt es an allen anderen Enden, da werden Intrigen gesponnen, Liebschaften vermisst, Verrate begangen, Freiheiten umkämpft. Das alles passiert wie gesagt nicht gerade subtil, die Emotionen bekommt man quasi nonstop um die Ohren gefeuert. Das kann man blöd finden, wenn man will, man kann es aber auch als das sehen, was es ist: Ein ordentliches Auf-den-Tisch-hauen, für die Freiheit, für die Menschlichkeit, für den Widerstand.