Ottessa Moshfegh Is the Next Big Thing, auf diese These stößt man, wenn man mehr über diese Autorin herausfinden möchte. Und das will man unweigerlich. Immer wieder schaut man auf die hintere Buchklappe mit der knappen Autorinnen-Vita. Wer ist diese junge Frau, die hier einen Roman in der Seemannssprache des 19. Jahrhundert geschrieben hat, so kraftvoll, so schmutzig, so authentisch? Die in ganzen Abschnitten genussvoll das Inventar von Schiffsladungen aufzählt?
McGlue handelt von einem jungen Seemann, der 1851 verdächtigt wird, in einem fernen Hafen seinen besten Freund und Schiffsgefährten ermordet zu haben. Im Arrest muss er die Heimreise unter Deck des Schiffes verbringen, um in seinem Heimathafen Salem in den Vereinigten Staaten der Gerichtsbarkeit übergeben zu werden. Dort verbringt er, auf seinen Prozess wartend, die Zeit in einer Einzelzelle, von einem Anwalt immer wieder zu einem Geständnis gedrängt. Doch er kann sich an nichts erinnern. Der Tatort eine monatelange Seereise weit weg, keine Spuren, keine Zeugen … Otessa Moshfegh lässt die Reste eines mittelalterlichen Rechtsverständnisses aufscheinen, der Prozess kann nur mit einem Geständnis enden.
Der auf literarische Krimis und Thriller spezialisierte Liebeskind-Verlag hat so wieder einmal ein Kleinod zu Tage gefördert. Die „Ermittlungen“ finden ausschließlich im Kopf von McGlue statt. Doch dessen Kopf ist schwer gezeichnet von einem früheren Bahn-Unfall als blinder Passagier und vom Alkohol. Zur Untätigkeit verdammt und vom Entzug gequält versucht er der Wahrheit und sich selbst auf die Spur zu kommen. Es ist ein feiner Faden, den die Autorin spinnt – beginnend mit den Hexenprozessen von Salem, endend mit dem Tod eines Seemannes: „Sie wollen dich erst mästen, bevor sie dich bei lebendigem Leib fressen.“
Otessa Moshfegh
McGlue. Roman
liebeskind 16.00 Euro
reservieren