Wir sind jetzt hier … – in Brandenburg!

Was ist nur los, mit dem ehemaligen Schmuddelkind, mit Brandenburg? Bis vor Kurzem durfte man noch ungeniert Spott und Häme über dieses Bundesland ausschütten und bekam dafür jede Menge Beifall: Nazis, Bisamratten, Lidl … – ach ja, und Achim Menzel.
Doch mittlerweile scheint sich das zu ändern, zumindest, was den Indikator „Buchmarkt“ angeht. Schön für uns, denn so können wir bei der Ausstattung unseres neuen Ausflugs-Schaufenster aus dem Vollen schöpfen.

 

„Wir sind jetzt hier“  – vielleicht drückt dieser Buchtitel ja das neue Brandenburg-Gefühl am besten aus. Eine Mischung aus Fatalismus und Neugier, die Björn Kuhligk und Tom Schulz sagen ließ: Mal sehen, was uns hier begegnet. 2013 haben sie gemeinsam Brandenburg bereist. Kreuz und quer, vom Havelland bis zum Oderbruch, vom Ruppiner Land bis zum Spreewald. Und dabei entdeckt, was man nicht vermutet: Das typisch Berlinerische, das in Berlin durch die Zugezogenen verschwindet und zum Teil von einigen vermisst wird, das habe ich in Brandenburg wiedergefunden, sagten Björn Kuhlig vor kurzem in einem Interview.
Einige ihrer Reise-Schnappschüsse durften wir für unsere Schaufensterdeko verwenden.

Und was war es für eine Überraschung, als im Frühjahr Sasa Stanisic mit seinem Uckermark-Roman „Vor dem Fest“ für den Leipziger Buchpreis nominiert wurde -und gewann! Nicht auf die Bestätigung von Vorurteilen warten, sondern hinsehen und das Typische erkennen, das ist das Erfolgsrezept seines Romans. Zwei Hände voll Protagonisten begleitet man durch die letzten anderthalb Tage vor dem jährlichen Volksfest im uckermärkischen Dorf Fürstenfelde. Schicksale, die sich in diesen Stunden manchmal berühren, kreuzen oder schließlich unerwartete Richtungen nehmen. Bravo!

Der Trend zum Brandenburg-Roman macht auch vor der Schweiz nicht halt. Urs Faes hat für seinen Roman „Sommer in Brandenburg“ ein Stück deutsche Geschichte recherchiert, Ort der Handlung: das Havelland. Ende der 30er gab es dort mehrere sogenannte Hachschara-Zentren. Landgüter, auf denen sich jüdische Jugendliche auf eine eventuelle Ausreise nach Palästina vorbereiten konnten. Tagsüber harte Arbeit in der Landwirtschaft, um sich auf das Leben in Palästina einzustimmen, abends landeskundliche Bildung. Zwei der Jugendlichen, Ron und Lissy, lernen sich näher kennen, doch feindliche Stimmung der Außenwelt bricht mehr und mehr in die scheinbare Idylle ein.

Auf eine wirklich literarische Spurensuche geht der Protagonist aus Jens Sparschuhs Roman „Ende der Sommerzeit“. Aus einem Gastlektoren-Aufenthalt in den USA zurück gekehrt, soll er einem dortigen Kollegen einen Gefallen tun: bei der Konzeption eines Romans hatte Vladimir Nabokov eine handgezeichnete Karte erstellte. Diese soll nun südwestlich von Berlin auf ihre reale Genauigkeit überprüft werden. Doch was zunächst recht einfach aussieht, nimmt nach und nach immer verwirrendere Züge an. Und letztlich ist der Suchende weniger auf der Suche nach der Realität, als auf der Suche nach sich selbst.

 

Björn Kuhligk / Tom Schulz: Wir sind jetzt hier. Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Hanser Berlin 17.90 Euro

Sasa Stanisic: Vor dem Fest. Roman. Hanser 19.99 Euro

Urs Faes: Sommer in Brandenburg. Roman. Suhrkamp 19.95

Jens Sparschuh: Das Ende der Sommerzeit. Roman. Kiepenheuer & Witsch 18.99 Euro