1 Buch – 2 Meinungen …

Über Bücher muss man nicht immer einer Meinung sein, das ist ja klar.  Und auch in einem Buchladen müssen nicht immer alle Buchhändler/innen jedes Buch mögen. Wie ja überhaupt auch nicht nur Bücher im Regal stehen, die wir mögen. Den Kunden sollen sie ja gefallen. So gehen die Meinungen eben manchmal auseinander. So geschehen bei Zeit für mich und Zeit für dich von Fabio Volo. 1 Buch – 2 Meinungen von Mischa und Beate:

Mischa: Lorenzo wurde von seiner Frau verlassen. Nun ist er ganz durch den Wind, was wirklich kostbar ist, merkt man erst, wenn man es nicht mehr zur Verfügung hat. Gott sei Dank gibt es aber noch die nette Nachbarin Giulia, die sich ebenfalls vor kurzem getrennt hat und der man am Tag schon mal eine SMS schickt: „Heute Abend Fisch bei mir?“ – aber natürlich läuft da nichts …
Parallel erzählt Lorenzo die Geschichte der schwierigen Beziehung zu seinem Vater, wie es nie väterliche Nähe gab, und wie ihm sein Vater mit zunehmendem Alter mehr und mehr zu entgleiten droht. Die Geschichte wird in einem Erzählstrang in der Kindheit beginnend erzählt, ein zweiter Strang setzt später ein, als sich herausstellt, dass sein Vater erkrankt ist.
Der Romanheld selbst ist erfolgreich (ist als Werbemensch in aller Welt unterwegs), sympathisch (kauft auf dem Rückweg von der Arbeit immer noch ein), um seine Eltern besorgt und ein guter Zuhörer. Und natürlich kämpft er auch um seine Liebe, also genau so, wie man sich einen Mann wünscht, oder? Es gibt auch noch den witzigen Nicola, Lorenzos Art Director (geht auf dem Rückweg von der Arbeit immer noch einen Aperitif  trinken). Die beiden waren schon vor Lorenzos Beziehung „beste Freunde“.
Das späte Bemühen um den Vater, der in der Kindheit nie für ihn Zeit hatte, scheint mir so recht glaubwürdig. Die Schilderung der ärmlichen Verhältnisse in Lorenzos Elternhaus sind jedoch sicher genau beobachtet und als italienische „Sozialstudie“ sehr interessant.
Insgesamt finde ich das Buch ziemlich seicht, voller Klischees und erfüllter Erwartungen. Eine „schöne Liebesgeschichte“ für den Urlaub … .

Beate: Lorenzo, entstammt ärmlichen Verhältnissen, in denen Schulden und Sorgen um das tägliche Auskommen an der Tagesordnung waren. Sein Vater entsprach irgendwie nie dem typisch (italienischen?), seinen Sohn über alles liebenden, Familienoberhaupt. Jedenfalls schiebt Lorenzo seine Unfähigkeit zu lieben und sich lieben zu lassen auf Versäumnisse und missliche Umstände in seiner Kindheit und Jugend. Als die Demütigungen seiner  sozialen Herkunft unerträglich werden, er Dank eines Nachbarn mit 16 Zugang in die Welt der Bücher (Bildung) und somit auch erstmals in den Gedanken der Freiheit erhält, kommt es zum Bruch mit seinem Elternhaus und zum Ausbruchversuch aus seiner erdrückenden Lage.

Jetzt ist Lorenzo Mitte dreißig, mittlerweile einigermaßen erfolgreicher Werber, und lebt das Leben der italienischen Mittelschicht. Ein sicheres Auskommen, internationale Geschäftsreisen, gelegentlich unverbindlicher Sex,  gutes Essen und guter Wein, mit Freunden stundenlang über dies und das reden. Und natürlich eine Wohnung, die auch für zwei reichen würde. Nur leider ist die Frau, mit der er gern zusammen wäre, vor zwei Jahren aufgrund nichtkompatibler Lebens- und Liebesentwürfe ausgezogen. Jetzt steckt er in einer Schleife (übermäßiges Selbstmitleid). Die Tatsache, dass sein Vater offensichtlich schwer erkrankt ist und seine Verflossene heiratet, sind dabei nicht sonderlich stimmungsaufhellend.

Volos „Zeit für mich und Zeit für dich“ ist eine sich flott lesende Lebens- und Liebesgeschichte mit Italienflair. Lorenzo ist, wie bereits erwähnt etwas „verjammert“ und weckt daher vermutlich bei weiblichen Leser(innen) Beschützer- und Rettungsinstinkte. (Vielleicht aber auch, „na, den kenne ich doch“). Keine große literarische Überraschung aber ich werde es wohl weiterlesen müssen …

Fabio Volo: Zeit für mich und Zeit für dich. Roman. Diogenes 9.90 Euro

 

Mischa ist gemeinsam mit seiner Frau Beate Inhaber von lesen & lesen lassen. Er kümmert er sich besonders um die Themen Berlin, Politik und Sachbuch sowie um die Ladentechnik, Webseite und Soziale Netzwerke.
Beate ist das Gesicht unserer Buchhandlung. Die „kleine Chefin“ ist „Ober-Einkäuferin und mag neben guter Belletristik vor allem schöne Kinder- und
Erwachsenen-Bilderbücher.