[singlepic id=425 w=240 h=180 float=left] Vor Kurzem hat das N-Wort wieder Schlagzeilen gemacht. So soll in einer amerikanischen Neuausgabe von Mark Twains „Huckleberry Finn“ das Wort Nigger durch Sklave ersetzt werden. Über Sinn und Unsinn wird noch immer gestritten, da taucht es wieder auf: in Andrea Camilleris neuen Roman Streng vertraulich. 1930. Die kleine süditalienische Stadt Vigàta bekommt einen exotischen Bewohner: den äthiopischen Prinzen Grhane Solaissie, der an der dortigen Bergbauschule ein Diplom zu erwerben gedenkt. Das Regime unter dem „Duce“ Benito Mussolini ist auf dem Höhepunkt seiner Macht und die Zulassung eines Negers in dieser Zeit nicht unproblematisch. Dennoch genießt der Prinz das Wohlwollen höchster Regierungskreise, denn man verbindet mit ihm weitreichende diplomatische Ziele: bei der Kolonialisierung Ost-Somalias durch Italien gibt es erhebliche Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien. Indem man den Prinzen für das Italien Mussolinis einnimmt, möchte man Einfluss auf dessen Onkel, den äthiopischen Kaiser, gewinnen und bei den Auseinandersetzungen eine für Italien positive Lösung erreichen. Konkret: Der Prinz soll einen Brief an seinen Onkel schreiben, in dem er seine Bewunderung für den italienischen Staat ausdrückt.
Doch den noch-nicht-geschrieben Brief benutzt der Prinz dazu, seinen Auftraggebern immer neue Vergünstigungen und Vorteile abzupressen. Und dem stattzugeben sehen sich die Behörden mehr und mehr gezwungen, denn der Prinz zieht in der Stadt eine Spur der Verwüstung: unbezahlte Bordellrechnungen, Ausschweifungen in Krankenhäusern, homoerotische Affären unter den Bergbauschülern, Eifersuchtszenen auf Seiten beiderlei Geschlechts, Suizidversuche aus Liebskummer, Duelle in den besten Kreisen der Gesellschaft, das Erscheinen des Leibhaftigen …
Camilleri hat mit diesem Buch ein wahrhaftes Kabinettstückchen vorgelegt. Anders als Tom Sawyers etwas dröger Kumpel Jim ist Prinz Grhane Solaissie gewitzt genug, sämtliche Behörden hinters Licht zu führen. Doch erfährt man davon ausschließlich aus Dienstanweisungen, offiziellen Briefen, schriftlichen Befehlen, Gesprächsnotizen, Telefonprotokollen und – zum Ende hin immer häufiger – aus Telegrammen.
Es sind Dokumente, in denen im Verlaufe der Geschichte mehr und mehr die Worte entgleisen – sehr zum Vergnügen der Leserschaft!
Im Mai 2009 hatte sich ein Professor der FU-Berlin bei der Wortwahl vertan. Eine spannende Diskussion zum N-Wort auf Spreeblick.
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