#minusgefühle

Minusgefühle von Jana SeeligIm vergangenen Jahr hat Jana Seelig plötzlich große Aufmerksamkeit auf sich gezogen: weil sie offen über ihre Depressionserkrankung twitterte – und über all die gut gemeinten Ratschläge aus ihrem Umfeld. Am Mittwoch, dem 21.10., stellt sie ihr nun erschienenes Buch „Minusgefühle“ in der Booze Bar in der Boxhagener Straße vor.

In einem Text hat die Wahl-Friedrichshainerin für uns beschrieben, wie sie nach Berlin kam und was der Kiez mit ihr machte.

Lange Zeit hab ich nicht so richtig gewusst, wo mein Zuhause ist. Egal wo ich hinkam, ich fühlte mich irgendwie nicht angekommen. Ich zweifelte an meinem Umfeld. Ich zweifelte an mir selbst. Ich zweifelte einfach an allem und war irgendwann überzeugt davon, nie meinen Platz auf dieser Welt zu finden. Zwar hatte ich ein Zuhause, aber irgendwie keine Heimat. Keinen Ort, an dem ich mich wirklich wohl fühlte. An dem ich sicher war. An dem ich ich sein konnte. Ich irrte also durch die Welt, vom Dorf zur Kleinstadt, von der Kleinstadt zu einer etwas größeren Stadt. Ich hatte keine Ahnung, was ich wollte. Wer ich sein wollte. Wo ich hin wollte. Ich wusste nur, dass sich alle Orte, an denen ich bisher gelebt hatte, falsch anfühlten.

Die Wende kam im Sommer 2010, als ich mit Freunden in Berlin war. Ich stand auf der Warschauer Brücke. Deutschland hatte gerade das WM-Spiel gegen Spanien verloren und ich meine Freunde in der Menschenmenge, die auf der Brücke zu gleichen Teilen weinte und sich freute. In den Moment hab ich mich zum ersten Mal seit Jahren wirklich lebendig gefühlt. Ich wusste, das ist mein Zuhause, obwohl ich zu Berlin und insbesondere zu Friedrichshain vorher nie einen Bezug hatte. Außer den typischen Touristenattraktionen kannte ich nichts. Nicht einmal Menschen, die hier lebten.

Drei Monate später wagte ich den großen Schritt, packte meine Sachen zusammen und zog ohne zu wissen, was ich tue, von Bayern nach Berlin. Ich landete in Lichtenberg und später dann in Hellersdorf, doch angekommen war ich auch da nicht. Nächtelang stand ich auf der Warschauer Brücke und dachte darüber nach, ob es nicht vielleicht doch ein Fehler war, mein altes Leben, mit dem ich zwar nicht glücklich war, das aber zumindest Sicherheit bedeutete, hinter mir zu lassen. Und jedes Mal kam ich zu dem Schluss, dass ich genau hier, auf dieser Brücke in Friedrichshain, die die meisten Berliner aufgrund der großen Menschenmassen, die jeden Tag darüber spazieren, meiden, am freisten war – und damit auch am glücklichsten.

Mittlerweile bin ich nach etlichen Unwegen endlich so richtig in Friedrichshain angekommen und auch wenn ich einer von diesen Menschen bin, die niemals richtig glücklich werden, so hab ich nun doch endlich eine Heimat gefunden.

Buchpräsentation am 21.10.15 20:00 Uhr in der Booze Bar, Boxhagener Straße 105
Eintritt frei!
Welcomedrink: Der exklusive „Minusgefühle“-Cocktail
Moderation: Christian „Pokerbeats“ Huber
https://www.facebook.com/events/424223757787087

Buch: Jana Seelig. Minusgefühle. Mein Leben zwischen Hell und Dunkel. Piper Verlag 14.99 Euro reservieren

Jana Seelig auf Twitter https://twitter.com/isayshotgun