Buchtipp: „Die Chance“

Kurz vor Schluss wird es richtig spannend. Art und Marion, ein Ehepaar knapp über 50, sitzen in einem kanadischen Spielcasino vor den Resten ihres Vermögens – und den Resten ihrer Ehe. Das Roulette soll entscheiden, wie es weitergeht. Ob sie sich scheiden lassen und Privatinsolvenz anmelden, oder ob sie es … nun ja, vielleicht doch noch einmal versuchen.

Stewart O’Nan hat die beiden vor zwei Tagen anreisen lassen. Mit einer Sporttasche voll Bargeld für den Spieleinsatz, alles andere können sie nur noch mit der Kreditkarte bezahlen, ihr Haus steht zum Verkauf. Sie wollen ihre Ehe eben da beenden, wo sie begann, in Niagara Falls.  Beide quälen sich durch ein Pflichtprogramm von längst überlebten „Attraktionen“. Und es ist bitter kalt in diesen Valentin’s-Day-Tagen. Art und Marion hatten lange nur noch nebeneinander her gelebt, seit Art einen Fehltritt beichtete. Noch schlimmer wurde es, als beiden ihren Job verloren. Doch der ehemalige Versicherungsangestellte Art kämpft um seine Frau Marion, die Unberührbare.  Es bewegt, wie dieser Mittelschichts-Mann die Initiative ergreift, bemüht, stets verunsichert, manchmal tolpatschig, über das Ziel hinausschießend. Marion, die ihr eigenes Vergehen wohl mit ins Grab nehmen wird, übt sich in Tagträumen, von einem Leben allein, in einer kleinen Wohnung.

Geschickt führt O’Nan durch dieses Wochenende voller Auf und Ab, das auch für ein ganzes Ehe-Leben stehen könnte. Er rührt Hoffnungen, liest Gedanken, hört Wortgeplänkel und lässt seine Leser daran teilhaben, wie die beiden ihren Plan verfolgen, den ersten gemeinsamen Plan überhaupt seit langem.
Spannend, leicht lesbar, von sympathischer Kürze.

Stewart O’Nan: Die Chance. Rowohlt 19.95 Euro