radioeins-Interview zu Svenja Leibers Roman „Das letzte Land“

Wie schon öfters, war Beate in der vergangenen Woche beim radioeins-Bücherlisten – Interview zu hören, diesemal mit Svenja Leibers Roman Das letzte Land. Damit so ein Interview gelingt, braucht es allerdings etwas mehr, als ein gutes Buch zu kennen und auch mehr, als nachmittags einfach mal eine Buchhändlerin anzurufen. Oft wird das Buch auch in der Redaktion gelesen, in (manchmal mehreren) Vorgesprächen werden einige Fragen konzipiert, an denen entlang sich dann das Gespräch entwickelt. Hier ein Blick auf den „Frage-Spickzettel“ vom letzten Interview, den wir natürlich noch einmal ganz in Ruhe nachträglich beantwortet haben:

Im Jubiläumsjahr des Mauerfalls strömen viele thematische Neuerscheinungen auf den Büchermarkt. Svenja Leiber befasst sich ebenfalls mit deutscher Geschichte. Wie tut sie das?

Es jährt sich ja nicht nur der Mauerfall, sondern auch der Ausbruch des 1. Weltkrieges. Svenja Leibers Roman beginnt 1911 und endet  im Jahre 1975, also umfasst einen Zeitraum, in dem Deutschland sich mehr als einmal umgekrempelt hat. Das ist Leibers roter Faden, zügig und elegant durcherzählt und ein wenig so, als würde man ein Familienalbum durchblättern. Dabei entstehen Momentaufnahmen aus dem Leben derer, denen Geschichte schon immer, irgendwie nur  passiert ist. Fast am Ende  lässt sie dann auch die Wirtin vom „Krug“ sagen: „Überhaupt, alles ist jetzt schon wieder in Ordnung, das ganze Land. Muss man nur hinterher kommen.“

Svenja Leiber schreibt eine besondere, eindringliche Sprache, „geschriebenes Kino“. Kommen Assoziationen zu Strittmatters „Der Laden“ oder  „Das weiße Band“ als nicht von ungefähr?

Ja, wer diese Filme mochte, dem fällt es gewiss nicht schwer, vergleichbare Szenen im Kopf zu haben. Svenja Leibers großes Können zeigt sich in „Das letzte Land“ vor allem darin, sowohl ganz einfache, als auch ganz große Gedanken gleichermaßen durch geschriebene Sprache sichtbar zu machen. Dabei gibt sie vorrangig den pragmatisch bäuerlichen Denkstrukturen eine beeindruckende Stimme. Daraus werden dann wundervolle Sätze, die man sich am liebsten alle merken möchte. Ich habe mir jedenfalls in fast jede zweite Seite einen Erinnerungsknick gemacht.

Ruven fungiert zwar als literarische Hauptfigur, bleibt aber neben den eindringlich beschriebenen Frauenfiguren doch eher blass. Ein Verlust für die Geschichte?

Nein, aber ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, wie wenig Ruven präsent erscheint, kapitelweise regelrecht abwesend. Aber das Leben ist nun mal kein Solostück für Geige, Ruven Preuck lebt ja nur für die Geigerei , es ist eher ein großes Orchesterstück mit Pauken und Trompeten. Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass Svenja Leiber viel mehr Gefallen an ihren Nebenfiguren hatte, insbesondere an den starken Frauen, die Preucks Leben begleiten. Diese Frauen halten die Familie zusammen, arbeiten hart, sie erdulden und halten eine Menge aus, aber manchmal widersetzen sie sich dem  Lauf der Geschichte, bieten, im Gegensatz zu Ruven, dem Schicksal die Stirn. Und da ist man durchaus  Stolz  eine Frau zu sein. Dafür an dieser Stelle herzlichen Dank an Svenja Leiber.

P.S:  Die wöchentliche radioeins-Bücherliste wird aus den „Bestseller“-Listen von etwa 15 Buchhandlungen aus Berlin-Brandenburg zusammen gestellt.

 

Svenja Leiber
Das letzte Land. Roman
Suhkamp 2014
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