“Ins Freie” – ein Roman von Joshua Ferris

[singlepic id=350 w=240 h=180 float=left] Tim, ein erfolgreicher Anwalt in den besten Jahren, führt ein perfektes Leben. Gemeinsam mit Frau und Tochter lebt er in einem luxuriösen Vorort von New York und findet in seinem Job die volle Erfüllung.
Alles ändert sich an dem Tag, an dem er von dem einen Moment auf den anderen nicht anders kann, als alles stehen und liegen zu lassen und loszulaufen. Die Richtung kann er bewusst nicht beeinflussen, es scheint ihn eine innere Stimme unaufhaltsam zu steuern und er kann seinen Körper nicht dazu bringen anzuhalten oder umzudrehen. Am Ende jeder dieser Wanderungen fällt er, so manches Mal an den unmöglichsten Orten, in einen tiefen und orientierungslosen Schlaf. Seine Frau Jane kümmert sich liebevoll um ihren Mann und rettet ihm mehrere Male das Leben, auch wenn sie innerlich bereits daran zu zerbrechen droht. Die Anfälle werden immer häufiger und bringen Tim immer weiter weg von zu Hause, wobei es wird für Jane immer unmöglicher wird, ihn zu finden.

Der Drang zu wandern wird von Ferris als eine Krankheit dargstellt, deren Ursache und Behandlung noch nicht erforscht sind und Tim unterzieht sich den verschiedensten Untersuchungen. Eine Diagnose oder Erklärung für das Phänomen des orientierungslosen Wanderns gibt Ferris dem Leser bis zum Ende nicht.
Je mehr Tim versucht seinen normalen Arbeitsalltag zu bewältigen und je größer der Druck wird, desto schlimmer werden die Anfälle. Die Reaktionen auf Tims Anomalie entblößen die perfektionistische und eiskalte Welt des Erfolgs, indem Tim seinen Posten als Partner in seiner Anwaltskanzlei verliert, belächelt und später geächtet wird. Letztendlich ergibt sich Tim seiner Krankheit vollkommen, verlässt Frau und Kind und begibt sich auf eine andauernde Wanderschaft, die ihn an den Rand der Gesellschaft zwingt.
Auch die Reaktionen der Familie auf diese unerklärliche Krankheit werden mit psychologischem Feingefühl geschildert. Jane driftet in den Alkoholismus und die übergewichtige Tochter zieht sich vollkommen in sich selbst zurück.

Ferris ist ein Roman gelungen, der kritisch auf die moderne Gesellschaft blickt und nach dem Umgang mit Leid und Andersartigkeit fragt. Ohne Kitsch und hoffnungsvolles Ende erzeugt er eine düstere Stimmung. Die psychologische Frage nach dem innersten Wesen des Menschen und nach seiner Freiheit im Geiste läßt den Leser so schnell nicht mehr los.

Joshua Ferris

Ins Freie. Roman

Luchterhand 19.99 Euro

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