Chuck Klosterman: Nachteulen

[singlepic id=186 w=320 h=240 float=left] Über den Titel von Chuck Klostermans Buch „Nachteulen“ könnte man sicher eine Weile diskutieren. Ein gängiger Begriff, ja. Aber ist eine „Nachteule“ nicht so etwas wie der berühmte „weiße Schimmel“? Oder wurde dieser Begriff bewußt gewählt, um etwas hervorzuheben, also als stilistisches Mittel? Chuck Klosterman wird man nicht fragen können, denn er nannte sein Buch „Downtown Owls“.
Zugegeben: schwer zu übersetzen.


Es gibt tatsächlich einige Nachteulen in Owl („Eule“ – aha!), einer Kleinstadt in North Dakota. Sie treffen sich in der Bar YODA und zu ihnen zählt Julia, die eben ihre erste Stelle an der örtlichen Highschool angetreten hat. Julia hatte sich genau vier Joints nach Owl mitgenommen. Für die schweren Stunden ihres neuen Lebens – drei davon muss sie gleich am ersten Abend rauchen. Nun sitzt sie fast jeden Abend im YODA, zusammen mit Naomi und Ted, einem befreundeten Pärchen, und gemeinsam mit einer Schar von Verehrern, die gern mit einer dreiundzwanzigjährigen ungebundenen Geschichtslehrerin ein Date anbahnen möchten. An jedem Abend lernt Julia (und der Leser) mindestens zehn Männer kennen, persönlich und in Geschichten.
Doch dabei soll es nicht bleiben. Der Leser erfährt genauso viele Geschichten und Anekdoten von Horace Jones, einem 73jährigen Rentner, der mit ein paar Bekannten Tag für Tag seinen Nachmittagskaffee im YODAS einnimmt. Und ebenso groß ist die Zahl der Namen, die man von der dritten Hauptfigur in „Nachteulen“ zu hören bekommt, von Mitch, einem Highschool-Schüler. Das ist für den Leser zunächst schon etwas anstrengend. Ungefähr so, als würde man als Fremder in eine Kleinstadt ziehen, wo jeder über jeden alles weiß – und zwar von Kindesbeinen an.

Aber man wird zum Weiterlesen verführt. Nach und nach merkt man, welche Personen wichtig sind, wer immer wieder auftaucht und welche Geschichten immer wieder die Runde machen. Langsam beginnt man sich auszukennen, wie, wenn man sich irgendwo gerade einzuleben begonnen hat. Und obwohl die Story lange so träge dahinfließt wie ein staubiger Wild-West-Nachmittag, gewinnt sie irgendwann immer mehr an Fahrt, um schließlich rasant in einer Katastrophe zu enden.

Die Handlung des Buches beginnt am 15. August 1983 und endet mit einem Zeitungsartikel vom 11. Februar 1984. In dieser Zeit liegen einige (historisch verbürgte) Ereignisse, die in Owl für viel Gesprächs- und Denkstoff sorgten: der mutmaßliche Tod des militanten Steuerhinterziehers Gordon Kahl am 03. Juni 1983, die Invasion von US-Truppen auf Grenada am 25. Oktober 1983 und ein verheerender Schneesturm am 4. Februar 1984.
Chuck Klosterman war zu dieser Zeit ungefähr 12 Jahre alt und lebte auf einer Ranch in North Dakota. Sein Roman ist eine Hommage an seine Heimat und eine der sterbenden Städte des Mittleren Westens.

klosterman_nachteulenChuk Klosterman
Nachteulen. Roman
S. Fischer 2010, 19.95 Euro
Fischer Taschenbuch 9.99 Euro