Drift ins Heimatliche

In Krisenzeiten findet eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte statt, das hat man schon oft gehört. Und wirklich: drei aktuelle Literatur- und Kulturzeitschriften beschäftigen sich nicht mit Globalisierung sondern mit Heimat und Identität.

Drei Häuser hatte Thomas Bernhard gekauft, das letzte war das Quirchtenhaus in Niederpuchheim. Marek Kedzierski hat es gemeinsam mit Bernhards Bruder besucht – der Bericht ist nachzulesen im Frühjahrsheft von „Lettre International“.  „Im Tal der Könige“ wähnt sich dagegen Christian Lindner bei einem Besuch im thüringischen Gotha. Doch er hatte Glück: „Am frühen Samstagnachmittag schlief Gotha und lieferte sich dem Besucher schutzlos aus.“
Weiterhin enthält das Heft Berichte aus Russland, Pakistan oder Tibet, den Schwerpunkt „Über Religion“ mit Beiträgen von u.a. Karen Armstrong und Dirk Baecker. Über „Dichter und Philosophen im Mahlstrom der preußischen Geschichte“ denkt Wolfgang Storch in seinem Essay „Totentanz und Rosenfest“ nach. Illustriert wird das Heft mit Werken von Florian Süssmayer. Der Künstler „durchwandert die Eingeweide der Städte, ihre Tumulte, Wüsten und Interieurs“, heißt es in „Lettre“.

Eine „Drift ins Heimatliche“ bemerkt Bella Triste No. 23. Wiewohl dies kein neuer Trend sei, werden stellvertretend Andreas Maiers „Sanssouci“, Thomas Klupps „Paradiso“ und Reinhard Kaiser-Mühlecker mit „Der lange Gang über die Stationen“ genannt. Was dennoch neu sei: Die Konzenration auf den „mikroskopischen Schauplatz, auf Erzählkonzepte jenseits der Metropolen.“ Aufgenommen wird dieses Konzept auch von den beiden abgedruckten Erzählungen von Alexander Langer und Bernhard Strobel.
Neben Lyrikbeiträgen von Sascha Kokot und Marion Poschmann beinhaltetet das Heft ein Gespräch mit Alexa Henning von Lange sowie eine Diskussion über die „Lüge im Text“.  Der Bildteil wurde von fünf Berliner IllustratorInnen und einer Fotografin gestaltet. Ausgangspunkt: das Begriffsfeld „Heimat“.

„Heimatkunde“ ist auch ein Artikel im März-Heft des Du-Magazins überschrieben. Für den gleichnamigen Dokumentarfilm (2007) hatte der ehemalige Titanic-Chef Martin Sonneborn Berlin umwandert und dabei „in die Seele der Nation“ geblickt. Hier nun das Resümee.
„Wer willst du sein? – Identität zerlegen“ ist das aktuelle Du-Thema. Ob es beispielsweise Humboldt gelang, mit seinen Reisen Deutschland und sich selbst hinter sich zu lassen, darum geht es in dem Gespräch mit Daniel Kehlmann im Literaturteil. Dort weiterhin Christine Lötscher über das zu-sich-selbst-kommen in der Kinder- und Jugenliteratur sowie ein erster Ausflug in die Literatur des diesjährigen Gastlandes der Frankfurter Buchmesse: China.

Lettre International. Heft 84 – Frühjahr 2009, 11.00 Euro
BELLA triste
– Zeitschrift für junge Literatur. Heft 23 – Frühjahr 2009, 5.00 Euro
Du
– Das Kulturmagazin. Heft 794 – März 2009, 12.00 Euro

Thomas Bernhard: Meine Preise
Suhrkamp 2009, 15.80 Euro

Thomas Klupp: Paradiso
Berlin Verlag 2009, 18.00 Euro

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Der lange Gang über die Stationen
Hoffmann & Campe 2008, 16.95 Euro

Andreas Maier: Sanssouci
Suhrkamp 2009, 19.80 Euro

Daniel Kehlmann: Ruhm
Rowohlt 2009, 18.90 Euro

Martin Sonneborn: Heimatkunde. 2 DVDs
AV-Visionen 2009, 16.95 Euro

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