Sommer in Potsdam

Dass es Daniel Kehlmann mit seinem neuen Buch Ruhm aus dem Stand in die vorderen Ränge der Verkaufs-Charts geschafft hat, verwundert sicher niemanden. Regional Beachtung gefunden hat auch Andreas Maiers Sanssouci-Roman. Ein Roman über eine – wie es heißt – „ostdeutsche Provinzstadt“. Auch wenn sich die Potsdamer über diese Betitelung der brandenburgischen Landeshauptstadt kaum freuen werden: wir können ihn nur empfehlen …

„Oststadt“ heißt die Fernsehserie, die der westdeutsche Regisseur Max Hornung in den Babelsberger Filmstudios drehte und in der fast jeder Potsdamer irgenwie schon einmal mitgespielt hat. Nun ist Hornung tödlich verunglückt und Christoph Mai, ein Bekannter Hornungs, ist nach Potsdam gereist, um dessen Nachlass zu orden.

Doch in Hornungs Haus kann Mai keinen klaren Gedanken fassen. Nicht nur, dass ihn mit Potsdam schmerzliche persönliche Erinnerungen verbinden – wer sind all die Leute, die in Hornungs Haus offenbar nach Belieben ein- und ausgehen? Das unter drückender hochsommerlicher Hitze liegende Potsdam scheint ausschließlich von illustren Personen bewohnt: der ökotant-hedonistischen Merle Johannsson und ihrem kleinen Sohn Jesus, dem skandalumwitterten Zwillingspärchen Heike und Arnold Meurer, dem russisch-orthodoxen Mönch Alexej, dem allwissenden „Baron“, dem König der Penner. Doch mitten im Sommerloch steigt der umstrittene Regisseuer wie aus dem Nichts zur kulturellen Ikone auf. Die Emotionen schlagen Wellen …

Worauf deutet das Andreaskreuz auf dem Buchcover hin? Auf einen echten „Andreas“ Maier, auf eine Stadt als Bahnübergang („Achtung! Hier kann man leicht überfahren werden!“) oder auf die SM-Sitzungen, die in einem Tunnelsystem unter Sanssouci stattfinden? „Sanssouci“ – das Erbe des Alten Fritz: „Ohne Sorge“ oder „Jeder nach seiner Facon“?

Andreas Maier hat einen atmosphärisch aufgeladenen Roman geschrieben, der das kulturelle Klima in einer ostdeutschen Provinzstadt aus den unterschiedlichsten Perspektiven darstellt. Auf der einen Seiten die vorwiegend aus dem Westen zugewanderten „Kulturschaffenden“ – auf der anderen Seite die vorwiegend dem örtlichen Milieu entstammende Kulturverwaltung. Dann das wohlhabende Potsdamer „Kultur-Publikum“, die Bewohner von Neubausiedlungen und „Oststadt“-Darsteller, dazwischen anarchische Jugendliche. Ein Schmelztiegel, der überraschende Phänomene zeitigen kann.  Ein spannender Roman über die Durchdringung von Ost und West zwanzig Jahre nach der Wende.

Andreas Maier: Sanssouci. Roman. Suhrkamp 2009, 19.80 Euro